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Der ATNR (Asymmetrisch Tonischer Nackenreflex): Wenn Kopfbewegungen das Lernen erschweren

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Der asymmetrisch tonische Nackenreflex ist der Schlüssel zur Entwicklung der Hand-Auge-Koordination. Wenn er nicht richtig integriert wird, kann dies zu lebenslangen Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben und bei allen Aktivitäten führen, die eine Koordination zwischen beiden Körperhälften erfordern.
— – Dr. Sally Goddard Blythe, Institute for Neuro-Physiological Psychology

Was ist der ATNR?

Der Asymmetrisch Tonische Nackenreflex (ATNR) ist einer der faszinierendsten und gleichzeitig herausforderndsten frühkindlichen Reflexe. Man kann ihn sich wie eine automatische "Fechterstellung" vorstellen: Wenn ein Baby den Kopf zur Seite dreht, streckt sich automatisch der Arm auf der Seite, zu der das Gesicht zeigt, während sich der Arm auf der Hinterhauptseite beugt. Das gleiche passiert mit den Beinen. Diese Haltung erinnert an einen Fechter, weshalb der ATNR auch als "Fechterreflex" bezeichnet wird.

Warum haben Babys diesen Reflex?

Der ATNR erfüllt wichtige Funktionen in der frühkindlichen Entwicklung:

  • Vorbereitung auf das Krabbeln: Er hilft dabei, die Koordination zwischen den beiden Körperhälften zu entwickeln

  • Entwicklung der Hand-Auge-Koordination: Das Baby lernt, seine Hand zu sehen und zu beobachten

  • Training für spätere Bewegungsabläufe: Er bereitet auf komplexere Bewegungen vor, die beide Körperhälften koordiniert einsetzen

  • Erste visuelle Verfolgung: Das Baby beginnt, Objekte mit den Augen zu verfolgen

  • Grundlage für die Seitigkeit: Er trägt zur späteren Entwicklung der Händigkeit bei

Wann sollte der ATNR verschwinden?

Der ATNR ist normalerweise zwischen dem 3. und 6. Lebensmonat am stärksten ausgeprägt und sollte bis zum 6. bis 7. Lebensmonat weitgehend integriert sein. Diese Integration ist entscheidend, damit das Kind lernen kann, beide Hände unabhängig voneinander zu benutzen und die Körpermittellinie zu überqueren – eine Fähigkeit, die für fast alle alltäglichen Aktivitäten wichtig ist.

Was passiert, wenn der ATNR bestehen bleibt?

Wenn der ATNR über das normale Alter hinaus aktiv bleibt (persistiert), kann dies zu erheblichen Schwierigkeiten in verschiedenen Entwicklungsbereichen führen. Die Auswirkungen sind oft nicht sofort als "Reflexproblem" erkennbar, sondern zeigen sich in verschiedenen alltäglichen Herausforderungen.

Häufige Anzeichen eines persistierenden ATNR:

Schulische Schwierigkeiten:

  • Probleme beim Abschreiben von der Tafel

  • Schwierigkeiten beim Schreiben: Das Kind neigt den Kopf stark zur Seite oder verdreht das Blatt

  • Lesestörungen: Die Augen können nicht flüssig über die Zeilen gleiten

  • Probleme beim Überqueren der Körpermittellinie

  • Schwierigkeiten bei Mathematikaufgaben, die räumliches Vorstellungsvermögen erfordern

Bewegung und Koordination:

  • Probleme bei Aktivitäten, die beide Hände koordiniert einsetzen (z.B. Radfahren, Schwimmen, Ballspielen)

  • Schwierigkeiten beim Werfen und Fangen

  • Unbeholfenheit bei feinmotorischen Aufgaben

  • Probleme beim An- und Ausziehen (z.B. Reißverschlüsse, Knöpfe)

  • Vermeidung von kreativen Aktivitäten wie Basteln oder Malen

Alltägliche Herausforderungen:

  • Das Kind bevorzugt stark eine Körperseite

  • Schwierigkeiten beim Essen mit Messer und Gabel

  • Probleme beim Zähneputzen (besonders die Backenzähne)

  • Unbehagen beim Haarebürsten über den ganzen Kopf

  • Schwierigkeiten beim Anziehen, besonders bei Kleidungsstücken, die über den Kopf gezogen werden müssen

Sprache und Kommunikation:

  • Verzögerte Sprachentwicklung

  • Artikulationsprobleme

  • Schwierigkeiten bei der Mundmotorik

  • Probleme beim Kauen und Schlucken

Ein typisches Beispiel aus dem Schulalltag

Stellen Sie sich vor: Ihre Tochter soll einen Text von der Tafel abschreiben. Was für andere Kinder eine einfache Aufgabe ist, wird für sie zu einer enormen Herausforderung:

  1. Sie schaut zur Tafel und ihr Kopf dreht sich automatisch zur Seite

  2. Durch die Kopfdrehung aktiviert sich der ATNR

  3. Der Arm auf der Gesichtsseite streckt sich unwillkürlich

  4. Die Hand mit dem Stift bewegt sich weg vom Papier

  5. Sie muss den Kopf wieder gerade stellen, um schreiben zu können

  6. Dadurch verliert sie den Überblick über den Text an der Tafel

  7. Dieser Vorgang wiederholt sich bei jedem Blick zwischen Tafel und Heft

Was normalerweise ein flüssiger Bewegungsablauf sein sollte, wird zu einem mühsamen Kampf zwischen willentlicher Kontrolle und unwillkürlichen Reflexbewegungen. Das Kind wirkt oft ungeschickt oder unaufmerksam, obwohl es sich sehr anstrengt.

Der Zusammenhang mit Lernstörungen

Ein persistierender ATNR wird häufig bei Kindern mit verschiedenen Lernherausforderungen gefunden:

Legasthenie (Leseschwäche):

  • Schwierigkeiten beim flüssigen Lesen von links nach rechts

  • Probleme beim Erkennen von Buchstaben und Wörtern

  • Auslassen oder Vertauschen von Buchstaben

Dyskalkulie (Rechenschwäche):

  • Probleme mit räumlichen Konzepten

  • Schwierigkeiten beim Verstehen von mathematischen Beziehungen

  • Probleme mit der räumlichen Anordnung von Zahlen

Dysgrafie (Schreibschwäche):

  • Unleserliche Handschrift

  • Probleme mit der Stifthaltung

  • Ermüdung beim Schreiben

ADHS-ähnliche Symptome:

  • Ablenkbarkeit beim konzentrierten Arbeiten

  • Unruhe und Zappeligkeit

  • Schwierigkeiten, Aufgaben zu beenden

Wie PDTR bei einem persistierenden ATNR helfen kann

Die Propriozeptive Tiefenreflextherapie (PDTR) bietet einen hocheffektiven Ansatz zur Behandlung eines persistierenden ATNR. Der Grund liegt in der präzisen Art, wie PDTR die neurologischen Ursachen des Problems angeht.

Warum ist PDTR so erfolgreich bei der ATNR-Integration?

Direkte Arbeit mit den propriozeptiven Rezeptoren: Der ATNR wird durch Rezeptoren in der Halswirbelsäule ausgelöst, die Informationen über die Kopfposition an das Gehirn weiterleiten. Bei einem persistierenden ATNR senden diese Rezeptoren fehlerhafte Signale. PDTR kann diese Rezeptoren präzise identifizieren und ihre Funktion korrigieren.

Behandlung der gesamten neurologischen Kette: Ein persistierender ATNR beeinflusst nicht nur die Nackenrezeptoren, sondern auch das visuelle System, die Gleichgewichtsorgane und die Koordination zwischen beiden Gehirnhälften. PDTR behandelt alle beteiligten Systeme systematisch.

Integration von Bewegung und Wahrnehmung: PDTR arbeitet daran, die Verbindung zwischen der Kopfbewegung und den Arm-/Beinbewegungen zu entkoppeln, sodass das Kind lernen kann, den Kopf unabhängig von den Gliedmaßen zu bewegen.

Verbesserung der interhemisphärischen Kommunikation: Ein persistierender ATNR kann die Kommunikation zwischen beiden Gehirnhälften beeinträchtigen. PDTR hilft dabei, diese Verbindungen zu stärken und zu harmonisieren.

Was können Sie von einer PDTR-Behandlung erwarten?

Der Behandlungsablauf:

  1. Ausführliche Diagnostik: Spezielle Tests zeigen, ob und in welchem Ausmaß der ATNR persistiert

  2. Identifikation der betroffenen Rezeptoren: Präzise Tests identifizieren die dysfunktionalen propriozeptiven und visuellen Rezeptoren

  3. Gezielte Behandlung: Durch sanfte, spezifische Techniken werden die Rezeptoren "neu programmiert"

  4. Integration und Nachkontrolle: Regelmäßige Überprüfung des Fortschritts und Anpassung der Behandlung

Verbesserungen, die Eltern oft beobachten:

  • Flüssigeres Schreiben und bessere Handschrift

  • Verbesserte Lesefähigkeiten

  • Bessere Koordination bei sportlichen Aktivitäten

  • Leichteres Abschreiben von der Tafel

  • Verbesserte Konzentrationsfähigkeit

  • Mehr Selbstvertrauen bei schulischen Aufgaben

  • Bessere räumliche Orientierung

Erfahrungsbericht einer Familie

"Unsere Tochter Emma hatte immer Schwierigkeiten in der Schule. Sie war intelligent, aber ihre Handschrift war unleserlich, und das Abschreiben von der Tafel war ein Kampf. Sie drehte immer den Kopf stark zur Seite und wirkte sehr verkrampft beim Schreiben. Ihre Lehrerin meinte, sie sei einfach 'noch nicht so weit' und bräuchte mehr Übung.

Durch eine Freundin erfuhren wir von persistierenden Reflexen und ließen Emma bei einem PDTR-Therapeuten untersuchen. Der Test zeigte einen stark persistierenden ATNR. Nach nur wenigen Behandlungen begannen wir Veränderungen zu sehen.

Emma konnte plötzlich geradeaus schauen und dabei schreiben. Ihre Handschrift wurde leserlicher, und sie war nicht mehr so erschöpft nach den Hausaufgaben. Am meisten hat uns gefreut, dass sie wieder Spaß am Malen und Basteln gefunden hat – Aktivitäten, die sie vorher vermieden hatte, weil sie so anstrengend waren.

Heute, sechs Monate später, ist Emma wie verwandelt. Sie ist selbstbewusster geworden und ihre schulischen Leistungen haben sich deutlich verbessert. Wir sind so dankbar, dass wir die wahre Ursache ihrer Schwierigkeiten gefunden haben."

Häufige Fragen zum persistierenden ATNR

Wie kann ich erkennen, ob mein Kind einen persistierenden ATNR hat?

Achten Sie darauf, ob Ihr Kind beim Schreiben den Kopf stark zur Seite neigt, Schwierigkeiten beim Überqueren der Körpermittellinie hat, oder ob es bei Aktivitäten, die beide Hände erfordern, ungeschickt wirkt. Ein PDTR-Therapeut kann durch spezielle Tests eine genaue Diagnose stellen.

Kann ein persistierender ATNR auch bei Erwachsenen vorkommen?

Ja, wenn der Reflex in der Kindheit nicht integriert wurde, kann er bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben. Erwachsene berichten oft über Schwierigkeiten beim Autofahren (besonders beim Einparken), Probleme beim Sport oder chronische Nacken- und Schulterverspannungen.

Unterscheidet sich die Behandlung je nach Alter?

PDTR kann in jedem Alter erfolgreich angewendet werden. Bei Kindern ist oft eine schnellere Integration möglich, da das Nervensystem noch plastischer ist. Bei Erwachsenen kann die Behandlung etwas länger dauern, ist aber genauso effektiv.

Wie lange dauert es, bis der ATNR integriert ist?

Die meisten Patienten sehen bereits nach 3-5 PDTR-Sitzungen deutliche Verbesserungen. Für eine vollständige Integration sind in der Regel 6-12 Behandlungen erforderlich, abhängig von der Ausprägung des Reflexes und anderen Faktoren.

Kann mein Kind trotz persistierendem ATNR erfolgreich in der Schule sein?

Viele Kinder entwickeln Kompensationsstrategien und können trotz persistierendem ATNR gute Leistungen erzielen. Allerdings kostet sie das oft mehr Energie und Anstrengung als nötig. Mit einer erfolgreichen Integration des Reflexes wird das Lernen deutlich leichter und entspannter.

Die Bedeutung der frühen Erkennung

Je früher ein persistierender ATNR erkannt und behandelt wird, desto besser sind die Erfolgsaussichten. Ideal ist eine Behandlung vor dem Schuleintritt oder in den ersten Schuljahren, wenn sich die grundlegenden Lernmuster noch entwickeln.

Anzeichen, die Eltern aufmerksam werden lassen sollten:

  • Ihr Kind meidet Aktivitäten, die beide Hände erfordern

  • Es hat Schwierigkeiten beim Malen oder Basteln

  • Die Handschrift ist unleserlich oder das Kind schreibt sehr verkrampft

  • Ihr Kind kann nicht flüssig von der Tafel abschreiben

  • Es dreht häufig das ganze Blatt beim Schreiben

  • Sportliche Aktivitäten wie Radfahren oder Schwimmen fallen schwer

Fazit: Der Schlüssel zu erfolgreichem Lernen

Der ATNR ist ein fundamentaler Baustein für die Entwicklung koordinierter Bewegungen und erfolgreiches Lernen. Wenn er persistiert, kann er wie eine unsichtbare Barriere wirken, die das Kind daran hindert, sein volles Potenzial zu entfalten.

Die gute Nachricht ist: Mit der richtigen Behandlung durch PDTR kann dieser Reflex erfolgreich integriert werden, wodurch sich völlig neue Möglichkeiten für Lernen, Bewegung und persönliche Entwicklung eröffnen.

Wenn Sie vermuten, dass Ihr Kind oder Sie selbst von einem persistierenden ATNR betroffen sein könnten, lohnt sich eine Abklärung durch einen qualifizierten PDTR-Therapeuten. Es könnte der Schlüssel zu vielen Verbesserungen in Schule, Sport und Alltag sein.

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Dieser Blogbeitrag dient zur Information und ersetzt nicht die individuelle Beratung durch qualifizierte Gesundheitsfachkräfte. Jeder Mensch ist einzigartig, und Symptome können verschiedene Ursachen haben. Bei Fragen zur Gesundheit Ihres Kindes konsultieren Sie bitte immer einen qualifizierten Arzt oder Therapeuten.

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